Harvard gegen Trump

Wenn Unis sich der Politik beugen, bröckelt die Demokratie, sagt Harvard-Professor Daniel Ziblatt. Der Kampf hat gerade erst begonnen.

Der Historiker Timothy Snyder hat die USA verlassen. Sie leiten unter anderem auch die Abteilung Transformationen der Demokratie am Wissenschaftszentrum Berlin. Würden Sie nach Deutschland ziehen?
Das Wissenschaftszentrum Berlin ist unglaublich attraktiv und es ist ein großes Privileg, dort zu arbeiten. Ich fühle mich in Deutschland sogar zu Hause, aber momentan fühle ich mich verpflichtet, in den USA zu bleiben. Als Patriot glaube ich an die demokratische Tradition Amerikas. Der Ökonom Albert Hirschman hat mal geschrieben: „In Zeiten des Niedergangs hat man drei Optionen: gehen, schweigen oder bleiben und kämpfen.“

Wann würden Sie gehen?
Wenn ich mich als politischer Analyst nicht mehr öffentlich äußern könnte oder an der Uni nicht mehr frei lehren, forschen, offene Diskussionen führen könnte. Dann müsste ich entweder den Beruf wechseln oder auswandern. Ich möchte die Deutschen aber auf etwas hinweisen.

Worauf denn?
Deutschland sollte sehr wachsam sein. In jeder Gesellschaft gibt es autoritäre Strömungen, die Wissenschaft und Forschung angreifen. Die Amerikaner glaubten lange: „Uns kann das nicht passieren.“ Heute wissen sie es besser. So wie Harvard von Columbia gelernt hat, sollte Deutschland von Amerika lernen.

@tagesspiegel plus 01.05.025

„Die Ästhetik des digitalen Faschismus“

Elon Musk, Donald Trump oder Javier Milei teilen KI-generierte Selbstporträts in heroischen Posen. Die Faszination der globalen Rechten für KI-Bilder ist nicht nur eine ästhetische. Sie folgt der Ideologie der schrankenlosen Expansion.

Als „ästhetische Rechtfertigung des Rechts des Stärkeren“ hat der Kulturwissenschaftler Wolfgang Ullrich kürzlich die neuen autoritären Bildwelten charakterisiert. Die Formel bringt auf den Punkt, was die reaktionären Visionen der Network-States mit den hypermaskulinen Antikenphantasien von Musk und Zuckerberg, Altmans kulleräugigem Profilbild und der „ghiblifizierten“ Meme-Propaganda des Weißen Hauses verbindet: Es sind Bildwelten der Rücksichtslosigkeit, in denen neokoloniale Expansionsträume, pseudohistorisch bemäntelte Machtphantasien, ein entfesselter Datenextraktivismus und die zynische Glorifizierung staatlicher Gewalt ihren gemeinsamen Ausdruck finden.

Roland Meyer ist Bild- und Medienwissenschaftler und DIZH-Brückenprofessor für Digitale Kulturen und Künste an der Universität Zürich und der Zürcher Hochschule der Künste (ZHdK).

@faznet plus 27.04.2025

China und Russland Strategien

Wie nahe stehen sich Russland und China wirklich?: „Die Russen werden von China ökonomisch abhängig bleiben“ China und Russland verbindet eine lange Freundschaft, die jedoch von tiefen Spannungen geprägt ist, sagen die Historiker Sören Urbansky und Martin Wagner. Trumps Politik könnte diese verschärfen. @tagesspiegel

„Die Russen schwächen aktiv unsere demokratische Ordnung. Ein Ergebnis ist der Erfolg der AfD bei den Bundestagswahlen. Die Generation derer, die nichts außer Frieden kannten, hat einen historisch ungewöhnlichen Zustand erlebt. Wohingegen der Krieg für Menschen, denen die Aggression der Sowjetunion noch in den Knochen sitzt, viel präsenter ist. Dort gibt es auch eher die Bereitschaft, ökonomische Opfer für die Aufrüstung zu bringen.

In Deutschland wurde man, wenn man das forderte, lange als Kriegstreiber diffamiert. Dabei erscheint mir militärische Abschreckung als der effektivste Schutz gegen das imperiale Gebaren Russlands. Die Menschen in der Ukraine haben mit ihrem aufrichtigen Kampf gegen den Aggressor Russland Zeit erkauft, die wir bislang vergeudet haben.

WAGNER: Es geht dabei auch um den Reiz des Autoritären für Menschen, die sich in der Demokratie nicht mehr zu Hause fühlen. Sie halten unser System für etwas, das an die Grenzen seiner Leistungsfähigkeit geraten ist, und das Autoritäre für überlegen. In Bezug auf die Bekämpfung des Klimawandels hört man immer wieder, China sei dem Westen überlegen, weil es durchregieren könne. Der Historiker muss dann immer auf den Preis gesellschaftlicher Freiheit hinweisen, der damit verbunden ist.“

@tagesspiegel 21.04.2025

Transformation der USA zur imperial aggressiven Macht

„Was hier geschieht, ist Faschismus“

„Was Trump heute macht, haben wir in diesem Land sehr lange mit schwarzen Amerikanern gemacht. Wir nennen aber eine Struktur erst dann Faschismus, wenn man mit Weißen das macht, was Weiße sehr lange mit Schwarzen gemacht haben.“

„Deutschland hat diese Form des institutionalisierten Rassismus ja von uns geklaut. Sie sind in dem Sinne nicht das Original, das sind wir Amerikaner. Deutschland hat neue Methoden entwickelt. Hitler hat die Amerikaner gelobt und sich für die Nürnberger Gesetze, durch die meine Familie ihre Staatsbürgerschaft verloren hat, von „Jim Crow“ inspirieren lassen. Das ist alles erforscht und belegt, und ich kann Ihnen auch sagen, dass Madison Grant, der „Rassentheoretiker“, den Hitler einst im Gefängnis gelesen hat, ein Yale-Student war. Von daher sage ich, Faschismus ist, wenn man mit Weißen macht, was man seit Langem mit Schwarzen gemacht hat. Und meine Kinder sind schwarz. Sie sind schwarz, Juden, Deutsche, Deutschamerikaner. Und nun greifen die Trump-Leute schwarze Geschichte an, und ich betrachte es als antisemitisch, was sie mit den Universitäten machen.“

Yale-Professor Jason Stanley verlässt die USA Richtung Kanada
@faznet plus 04.04.2025


„Wenn Elon Musk und seine Abteilung für Regierungseffizienz, kurz Doge, Ämter, Behörden und ganze Ministerien schließen, wenn seine Trupps junger Hacker Leute feuern und Daten herunterladen, um die Beamtenapparate demnächst durch Chatbots zu ersetzen, wollen sie keine Reform, sondern die Abschaffung der Strukturen. Das alte Betriebssystem des Staates, die Bürokratie, wird gegen ein neues ausgetauscht, die digitale Verwaltung. Die ist billiger, effizienter und vor allem ergebnisorientiert. Eine Bürokratie verwaltet Regeln und Erlaubnisse. Eine digitale Verwaltung ermöglicht Prozesse und Kontrolle.

Das wurzelt nicht nur im Denken, sondern vor allem in den Erfahrungen der neuen Machthaber. Nicht nur Donald Trump und Elon Musk, sondern auch Leute wie Handelsminister Howard Lutnick, Energieminister Christopher Wright oder Bildungsministerin Linda McMahon sind oder waren Geschäftsleute. Der Staat mit seiner Bürokratie, das war für sie immer vor allem ein Bremsmechanismus, der die freie Marktwirtschaft mit Kompromissen im Sinne des Gemeinwohls daran hinderte, sich nach dem Leistungsprinzip voll zu entfalten.“

Andrian Kreye, Faschismus? Das trifft es nicht. Reboot einer Supermacht
@SZ plus 26.03.25

Kommentar: Noch in der Kritik spiegelt sich die Faszination Kreyes gegenüber der neuen Techno-Elite. „Leistungsprinzip“ und „Stärke“ durch Algorithmen?
Nein, es geht um pure Macht des Geldes / Kapitals, um Kontrolle und unbegrenzte Herrschaft einer weißen männlichen Minderheit, sog. Techno-Elite. Globale Techno-Plutokratie mittels AI / KI. -> „White Supremacy , „Dark Enlightenment“, Curtis Yarvin


Putins Russland auf der Lauer

„Das deutsche Wirtschaftsmodell brauchte jetzt russisches Gas wie die Luft zum Atmen, und es zeigte sich, dass Steinmeiers und Merkels Verflechtungspolitik dem eigenen Land weit engere Fesseln angelegt hatte als Russland. Merkels Berater Heusgen hat später jedenfalls bekannt, durch diese Gaspolitik habe man sich „eine Blöße“ gegeben.“

„In Wahrheit aber sind Terror und Krieg nie abklingende Symptome, sondern von Anfang an Grundelemente von Putins Herrschaft gewesen. Schon sein erster Wahltriumph mitten in den Schrecken des Tschetschenienkrieges muss ihm gezeigt haben, dass Aggression und Eroberung sich für russische Führer lohnen.“

„Viele Deutsche, von Scholz bis zum CDU-Ministerpräsidenten Michael Kretschmer, behandelten Putins Russland aber auch nach 2022 nicht wie einen Raubstaat, dessen Hauptressource der Krieg ist. Sie klammerten sich an die Illusion, Putin könne durch Friedfertigkeit friedfertig gemacht werden. Auf der Linken hallte dabei die Überzeugung der Anti-Vietnamkrieg-Generation nach, Russland habe ja recht, wenn es sich von einem aggressiven Westen bedroht fühle. Steinmeier jedenfalls hat einmal gesagt, früher habe er „tatsächlich geglaubt, Moskau könnte Angst vor der Erweiterung der NATO haben“.

Konrad Schuller, Unsere 25 Jahre mit Putin @faznet 26.03.2025

Imperiale Agenda

USA versuchen, ihre Imperiale Macht auch im ökonomisch-kulturellen Bereich Soft Power auszudehnen.

Die US-Botschaft in Paris fordert französische Unternehmen schriftlich dazu auf, Antidiskriminierungsprogramme zu stoppen – und binnen fünf Tagen ein Formular auszufüllen. Das Vorgehen schlägt hohe Wellen.

Mahnbriefe an französische Konzerne @faznet plus 29.03.2025


siehe dazu die historische Parallele Roms der Kaiserzeit

Wenn aus Freundschaft Hegemonie wird

Das Römische Reich gab seinen Verbündeten ein Höchstmaß an Autonomie – bis Bürgerkrieg ausbrach und die römische Macht von außen in Frage gestellt wurde. Das erinnert an das Verhältnis von Amerika und Europa heute.

@faznet plus 27.03.2025


Amerikas Blick auf Europa

In seiner ersten Amtszeit hatte Trump kaum eigene Leute und musste auf etablierte Republikaner zurückgreifen. Denken Sie etwa an den Verteidigungsminister Mattis, an den Sicherheitsberater McMaster und an General Kelly als Stabschef. Die haben Trump im sicherheitspolitischen Bereich eingenordet. Das hat er ihnen nie vergeben. Trump konnte in seiner ersten Amtszeit nie Trump sein. Jetzt erleben wir einen erfahreneren, einen entschlossenen, einen skrupelloseren und einen bösartigeren Trump, als wir ihn je gesehen haben. Und wir erleben einen Trump, der Außenseiter wie Hegseth und die Geheimdienstkoordinatorin Tulsi Gabbard nach oben spült. Sie sind abhängig von Trumps Wohlwollen und setzen genau das um, was er sich in seinen Kopf gesetzt hat. Dazu gehören Vergeltungsphantasien gegenüber Europäern, die Trump in der ersten Amtszeit immer wieder geschmäht haben, die sich über seinen Politikstil lächerlich gemacht haben und die seine Wahlniederlage 2020 gefeiert haben. Jetzt ist für Trump die Payback-Zeit, die Zeit des Heimzahlens. Es geht nicht um langfristige Strategie, sondern um Rache.
Stephan Bierling, Professor für internationale Politik und transatlantische Beziehungen an der Universität Regensburg. 

„Die Deutschen haben in ihrem Vulgärpazifismus versagt“@faznet plus 29.03.2025


Liberale Bürger

„Wer ein politisches Programm neu entwerfen will, darf sich nicht durch eine angeblich entgegenstehende Wirklichkeit gleich entmutigen lassen. Doch die volatile Gesellschaft unserer Zeit darf in ihren veränderten Kommunikationsbedingungen auch nicht einfach ignoriert werden. Ralf Dahrendorfs Diagnose von der „Zerstörung der Ligaturen“ meinte den Verlust jener tief gelagerten kulturellen Bindungen, die den Menschen zivilisatorische Orientierung geben. Dazu gehört die Fähigkeit, strikt unabhängig zu denken und die Widersprüche wie die Konflikte der Gesellschaft auszuhalten. Für die Erneuerung dieser Fähigkeit muss gekämpft werden, sonst droht ein dunkles Zeitalter der sich zerstörenden Aufklärung. Dafür braucht das Land eine starke liberale Partei, die ihr Menschenbild für Wirtschaft, Kultur und Politik wieder sichtbar und attraktiv macht.“

Udo di Fabio @faznet 25.03.2025